Yvonne Roeb
(Geboren 1976 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet in Berlin und Paris) studierte von 1999 bis 2008 Kunstgeschichte und Freie Kunst bei Katharina Fritsch und Timm Ulrichs an der Kunstakademie Münster. Ab 2005 war sie Meisterschülerin bei Katharina Fritsch.
Yvonne Roeb hat im ehemaligen Damastzimmer des Schlosses ein Kabinett eingerichtet, in dem sich ihre Objekte befinden, minutiös platziert in einem speziell angefertigten Gestell.
Darin inszeniert Roeb ein feministisches Rokoko-Manifest, in dem das Muschelwerk seinen Wiedereinzug in die Gegenwart als Vulva feiert („VENUS III“). Traditionelle Geschlechterrollen werden hinterfragt, und Haare stehen für Verführung – dem Symbol für Kraft und Magie („SCRINIUM“). Männliche und weibliche Körperfragmente, Mischwesen aus Mensch und Tier („AUSTER“) sowie Zwitterwesen („WO/MAN“) treten in exponierter Weise hervor. Jenseits jeglichen Voyeurismus‘ werden Aspekte von Gestaltwahrnehmung, Geschlechtlichkeit und Körperlichkeit zum Thema gemacht.
Yvonne Roebs Tonarten weiblicher Selbstermächtigung wechseln zwischen hochsensibel und existentiell, ohne den leisesten Anklang von Banal-Erotik. Gerade in einer Zeit neuer Prüderie, zunehmender Skandalisierung oder einer veränderten Wahrnehmung von Grenzen liegt die Stärke ihrer gezeigten Arbeiten in der leibhaftigen Präsenz des Wahren und Schönen – manchmal leicht ins Surreale gerückt.
Roebs Terrakotta-Arbeit „LEIB VII“ gehört zu ihrem „Body-Part-Zyklus“ und entstand nach Recherchen im Musée des Moulages des Hospital Saint-Louis in Paris. Die dort ausgestellten medizinischen, dermatologischen Wachsabgüsse von 1889 dienten dem Krankenhaus einst als Lehrmodelle für Medizinstudenten – und Roeb als Inspiration für ihre Keramiken, die sie aus der Erinnerung an das Gesehene schuf.
Mit „GEWUCHS“ und „STRANGE FRUIT V“ setzt Roeb Akzente, die den Körper als Landschaft erfahrbar machen und die Verbindung von Mensch und Natur sowie das Verhältnis zwischen Haut und Umwelt erforschen. „Das Tiefste, was der Mensch besitzt, ist die Haut“, behauptete Paul Valéry.
Ob die Gipsskulptur „FREUD“ eine Anspielung auf die feministische Kritik an der Psychoanalyse ist, lässt sich nicht eindeutig sagen. Fest steht jedoch, dass Freud die weibliche Entwicklung stets als „Rätsel“ (1) betrachtete, wie er selbst zugab. Das Geschlechtsleben der erwachsenen Frau bezeichnete er gar als einen „dark continent“ (2). Die blinden Flecken in seiner Weiblichkeitstheorie sind unübersehbar.
References:
(1) Sigmund Freud, Die Weiblichkeit, in: ders., Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, 33. Vorlesung (1933), Studienausgabe Bd. 1, Frankfurt a.M. 2000, S. 561
(2) Sigmund Freud, Die Frage der Laienanalyse. Unterredungen mit einem Unparteiischen (1926), in: ders., Schriften zur Behandlungstechnik. Studienausgabe, Ergänzungsband, Frankfurt a.M. 2000, S. 303