Birgit Dieker
(Geboren 1969 in Gescher, Westfalen, lebt und arbeitet in Berlin) studierte von 1990 bis 1999 Germanistik an der Technischen Universität Berlin und Kunsterziehung an der Hochschule der Künste Berlin. Von 1993-1999 absolvierte sie außerdem ein Studium der Bildhauerei an der Hochschule der Künste Berlin. Sie war Meisterschülerin bei Prof. Michael Schoenholtz.
Ihre Kunstpraxis kreist vorwiegend um das Textile. Gern kombiniert mit anderen Materialien, etwa mit Leder, Haaren, Zähnen, sogar Hirschgeweihen (als Elemente körpergeschichtlicher Fragestellungen bei Mensch und Tier), aber auch mit Spiegeln, Porzellan und Glas sowie Wachs und Bitumen (bezogen auf die Dualität von hart und weich, genauso wie auf zerbrechlich und elastisch). Innerhalb der zeitgenössischen Kunst seit den späten Siebzigerjahren ist Birgit Diekers Herangehensweise nicht nur spielerisch und ernst zugleich, offen und äußerst subtil, sondern, gerade auch durch vieldeutige Titelgebungen, makaber bis geistreich gewitzt. In ihren Skulpturen voller emotionaler Merkwürdigkeiten und unheimlicher Wendungen verbindet sich eine fortschrittliche Kritik und Analyse bestimmter Darstellungen und Stereotypisierungen mit einem besonderen Maß an Empathie, so wie es berührend aus Werken von Louise Bourgeois, Rebecca Horn, Alina Szapocznikow oder Rosemarie Trockel spricht. Alles bei Birgit Dieker dreht sich um das Thema Identität, den menschlichen Körper und um Kleidung als seine zweite Haut.
Ein markantes Werk im Oeuvre von Birgit Dieker trägt den Titel „All her Colours“. Die Gestalt dieser „Baumfrau“ und ihr Ausdruck innerer Stärke gehen zurück auf ein fotografisches Porträt von Annie Leibovitz, das die „Godmother of Punk“, Patti Smith darstellt - allseits bewundert als Musikerin, Schriftstellerin, Künstlerin und Mutter. Im Unterfutter dieser modernen Schutzmantelmadonna verbergen sich lagenweise Kleidungsstücke, gespendet von Frauen aus dem Freundinnen- und Bekanntenkreis der Künstlerin, die von Birgit Dieker aufgetrennt, in ihre Einzelteile zerlegt und Schicht für Schicht mit der Hand vernäht wurden. Was aus den erst übereinandergelegten später durch Schnitte skulptierten Stoffen erwuchs, erweist sich als eine Leitfigur für kollektive Kraft und Weiblichkeit, die fest in ihrer zeitgemäßen feministischen Weisheit wurzelt.